Die tiergestützte Therapie gilt seit langem als eine der erfolgreichsten Therapieformen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen oder psychischen Störungsbildern. Die ersten nachweislichen Belege der positiven Wirkung von Mensch-Tier-Beziehungen stammen aus dem England des 18. Jahrhunderts, wo unter der Leitung von William Tuke, einem englischen Geschäftsmann und Philanthropen, Patienten am York Retreat zu Interaktion mit den dort heimischen Hoftieren ermuntert wurden. Schon damals wurde vermutet, dass die Tiere als ein hilfreicher Schlüssel für eine erfolgreiche Sozialisierung der Kranken dienen könnten. Therapieansätze mit Hunden, Katzen, Pferden und neuerdings auch Lamas finden auch heute einen großen Zuspruch bei den Behandelten. Besonders aber die Delfintherapie weckt bei Eltern von Kindern mit schweren Behinderungen seit den 70er Jahren ungeahnte Hoffnungen.
Delfine spielen seit langer Zeit eine wichtige Rolle in der menschlichen Kultur. In der griechischen Mythologie werden sie fast ausschließlich in der freundlichen Helferrolle dargestellt. Dort sind sie das Tier der Muttergöttin Demeter, retten Apollon, der aus einer Insel mitten im Meer geboren wurde, ans Festland und unterstützen Poseidon darin, die Hand seiner geliebten Meeresnymphe Amphitrite zu gewinnen. Letzteres brachte ihnen sogar die Erhebung zu einem Sternenbild ein. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere berichtet von Kooperationen zwischen Fischern und Delfinen und spricht weiterhin von Rettungen von Menschen durch Delfine. Bis heute gelten sie deshalb als Glücksbringer für Seeleute. Aufgrund dieser durchweg positiven Wertschätzung in Geschichte und Mythologie fand der Delfin auch häufig Verwendung als Wappentier in der Heraldik des europäischen Mittelalters. Und auch außerhalb Europas fanden die Meeressäuger weitreichende Verehrung: bei den australischen Aborigines gelten sie als Gottheiten der Traumzeit.
Die äußert beliebte Fernsehserie Flipper ist fast jedem ein Begriff. Die hier unsterblich gemachte Erzählung um den hilfreichen Delfin ist dabei nicht aus der bloßen Luft gegriffen; wie das Sprichwort besagt schreibt die schönsten Geschichten ja bekanntlich das wahre Leben. So auch hier: der Delfin Pelorus Jack, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Neuseeland Schiffe durch die Cook-Straße zwischen der Nordinsel und der Südinsel Neuseelands lotste, liefert eine treffliche Vorlage für die Fernsehshow. Der Meeressäuger war so beliebt, dass er sogar auf Postkarten abgebildet wurde und ab 1904 sogar durch ein eigenes Gesetz unter individuellen Schutz gestellt wurde.
Es scheint also fast so, als gäbe es eine natürliche Anziehungskraft zwischen Delfinen und Menschen. Die Faszination für die Meeressäuger zeigt sich so alt wie die Menschheit selbst. So ist es naheliegend, das früher oder später die Verbindung zwischen dem Lächeln der Delfine und seiner Nutzung als therapeutisches Mittel in der tiergestützten Therapie gezogen werden musste.
Als Pionier der tiergestützten Therapie gilt Dr. Boris Levinson. Per Zufall entdeckte dieser, dass Tiere als Katalysator für menschliche Interaktion dienen können. In seinem Buch erzählt er dazu von dem Ereignis, das seine weiteren Arbeiten prägen sollte: „Die Eltern eines Jungen, der lange Zeit erfolglos behandelt wurde, baten Levinson, die Behandlung ihres Sohnes zu übernehmen. Daraufhin lud er sie zu einem Gespräch in seine Praxis ein. Die völlig verzweifelten Eltern erschienen bereits eine Stunde vor dem verabredeten Termin. Zu dieser Zeit war zufällig Levinsons Hund Jingles in der Praxis. Auf die stürmische Begrüßung durch Jingles reagierte der Junge nicht ängstlich, sondern drückte und streichelte das Tier. Nach einer Weile fragte das Kind, ob wohl alle Kinder, die in seine Praxis kamen, mit dem Hund spielen dürften. Auf die zustimmende Antwort des Psychologen erklärte der Junge, dann auch wiederkommen zu wollen, um mit dem Hund zu spielen. Dies tat er dann einige Sitzungen lang, ohne Levinson selbst Beachtung zu schenken. Allmählich wurde dieser aber in das Spiel mit einbezogen. Langsam entwickelten die beiden eine gute Arbeitsbeziehung, an deren Ende die Rehabilitation des Jungen stand“. Jingles wurde danach als „Eisbrecher“ fester Bestandteil des Klinikteams.
In den wissenschaftlichen Fokus gerieten Delfine erstmals Anfang der 60er Jahre mit den Studien des amerikanischen Neurophysiologen John Cunningham Lilly über die Sprache der Delfine und seinen Thesen zur möglichen Kommunikation zwischen Mensch und Delfin. Anfang der 70er Jahre eröffnete Dr. Betsy Smith in Florida das Forschungsprojekt „The Dolphin Project“, in dessen Rahmen sie Versuche mit Delfinen und Kindern mit Autismus durchführte. 1978 begann der Neuropsychologe und Verhaltensforscher Dr. David E. Nathanson die Auswirkungen von Delfinen auf behinderte Kinder zu untersuchen. Nathanson leitet bis heute die in Amerika durchgeführten Therapieprogramme der „Dolphin-Human-Therapy“.
In seinen Arbeiten stellte Nathanson fest, dass die Kinder sich beim Spiel mit den Delfinen überdurchschnittlich gut zu konzentrieren und zu entspannen schienen. Auch ihre Aufnahmefähigkeit schien erhöht. Die Bewegung im Wasser selbst schien ebenfalls einen positiven Effekt auf die kleinen Patienten zu haben. Von diesen Ergebnissen überzeugt stellte Nathanson seine Forschungen 1980 auf verschiedenen Kongressen vor. 1988 organisierte er eine sechsmonatige Studie am „Dolphin Research Center“ (DRC) in Grassy Key, Florida, und widerholte eine ähnliche Studie nur wenige Jahre später. Aus den gesammelten Resultaten der Studien entwickelte er das umfangreiche Behandlungsprogramm des DRC.
Bis 1994 konnten dort mehr als fünfhundert Kinder und Erwachsene aus der ganzen Welt an Nathansons Delfintherapie teilnehmen. Durch den großen Erfolg des Programms betrug die Wartezeit auf einen Platz bis zu sieben Jahre, was schließlich den Umzug des Instituts nach Key Largo, Florida veranlasste. Dort bietet Nathanson noch heute ein Vollzeitprogramm mit Delfinen an. Jährlich werden dort rund vierhundert Kinder von den Delfinen empfangen. Nathansons Therapiekonzept legt die Grundlage für viele gegenwärtig angewandte Delfin-Therapien. Weltweit gibt es inzwischen über 100 Institute, die Delphintherapien anbieten.
Der Begriff „Delphintherapie“ ist dabei keinesfalls genormt. Die Bezeichnung wird für ein ganzes Spektrum von Therapiekonzepten verwendet, die Delfinen einschliessen. Vollständig auf den Einsatz von Delfinen verzichtet dabei zum Beispiel das seit 1997 entwickelte Programm von Dolphin Space, das sich aus einer Kombination von unter Wasser abgespielten Tonaufnahmen von Echolokationslauten freilebender Tiere, Einbeziehung der Betreuungspersonen, Kurzzeitschulungen sowie komplementären therapeutischen Elementen zusammensetzt. Das Behandlungskonzept, das anfangs ausschließlich für verhaltensauffällige, lernbehinderte und autistische Kinder angewandt wurde, findet inzwischen auch bei Altersdemenz und seit 2005 sogar im Hochleistungssport therapeutische Nutzung.
Eines aber haben alle Formen der Delfintherapie mit tatsächlichen Delfinen gemeinsam: die Kinder zeigen sich während der Sitzungen oft hochmotiviert. Sie wird vornehmlich als Intensivtherapie für Kinder mit Defiziten jedweder Art in den Bereichen Sprache, Grob- und Feinmotorik, Kommunikation und Aufbau von Selbstvertrauen eingesetzt, kann im weiteren aber auch als eine wirksame Therapiemaßnahme für Menschen mit Behinderung und unterschiedlichen psychischen Störungsbildern angesehen werden. Die Delfintherapie ist dabei so individuell wie ihre Teilnehmer und basiert teils auf Methoden früherer Therapien, teils in Hinsicht auf weiterführende, traditionelle Behandlungsmethoden. Dabei integriert sie interdisziplinäre Therapiemaßnahmen aller Art.
Die Delfintherapie erfasst das Kind in seiner Gesamtheit, mit allen seinen Stärken und Schwächen, statt den Blick auf einzelne Gebrechen zu richten. Dabei konzentriert sich die Therapie nicht auf Dinge, die der Patient nicht kann, sondern fokussiert sich auf die Aktivierung und Verbesserung bereits vorhandener Fähigkeiten.
Die Delfintherapie nutzt zwei der drei häufig in der Forschung genannten Stimulanzien zur Weckung der Aufmerksamkeit: warmes Wasser und Tiere. Auch lässt es sich argumentieren, dass die dritte Stimulans, die Musik, in Form von Delfingesängen integriert werden kann (man erinnere sich an das Programm von Dolphin Space).
Delfine bewerkstelligen die Aufgabe der Stimulation mit ausgesprochener Kompetenz. Im Kern wird diese Fähigkeit als eine Folge ihrer Anpassung an den maritimen Lebensraum angesehen. Ihre naturgegebene Neugier und spielerische Art lassen sie schnell eine Verbindung zum Menschen aufbauen, ungeachtet jedweder Einschränkungen. Ihr anatomisch fixiertes Lächeln gibt ihnen zusätzlich stets ein freundliches Aussehen.
So fördern und fordern sie fast von alleine Kontaktbereitschaft, soziale Kompetenzen, Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsfähigkeit und ermutigen die Kinder dazu, sich aktiv und kommunikativ mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Durch die hautnahe Interaktion mit den Meeressäugern wird auch die Aufnahmebereitschaft für Informationen jeglicher Art gesteigert, Stress und Angstgefühle reduziert und durch positive Emotionen abgelöst. Das wiederum veranlasst häufig insgesamt eine positive Veränderung in der Kommunikationsfähigkeit des Kindes, was auch zu positiven Veränderungen im sozial-emotionalen Verhalten und der emotionalen Stabilität der kleinen Patienten führen kann. Durch den Delfin erhält das Kind zusätzliche Motivation, mit dem Therapeuten an Land zusammenzuarbeiten, denn erst nach Beendigung der therapeutischen Arbeiten an Land wird dem Patienten ein Schwimmen mit den Tieren erlaubt.
Für die Eltern bedeutet die Therapie in erster Linie eine neue Distanz: aus der Entfernung können sie ihr Kind ungezwungen interagieren und reagieren sehen. Das ermöglicht ihnen, sich ein ganz neues Bild von der Bandbreite der Fähigkeiten ihres Kindes zu schaffen und sich für seine Kompetenzen sensibilisieren. Kurzzeitig wird ihnen die Verantwortung für das Wohlergehen ihres Kindes genommen und ihnen die Möglichkeit zur inneren Entspannung geliefert. Aus dieser neuen inneren Haltung können Sie ihr Kind danach in neuem Licht sehen. Nach der Therapie kommt es so zu einer Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion.
Letztlich bildet die Delfintherapie ein unvergessliches, positives Erlebnis für alle Beteiligten, aus dem schöne gemeinsame Erinnerungen erwachsen können.
Auch das ZiFF bleibt nicht unberührt von diesem hochspannenden Thema. Für weitere Informationen besuchen Sie unsere Kursseite „SI World Wide mit Einblick in die Delphintherapie“, unseren Curaçao Blog oder sprechen Sie uns an!